Der Parcours in der Turnhalle verlangt einige Geschicklichkeit: ein hüfthoher Kasten, eine Sprossenwand mit Bank als Rutsche, zwei Eisenstangen zum Balancieren. Doch was eine großzügige Spende und sportliche Kreativität des Vereins Artico ermöglichen, ist sehr viel mehr als nur eine Turnstunde.
Wie das kleine Mädchen mit den blonden Locken in luftiger Höhe durch die Sprossen steigt, um auf der anderen Seite die Bank herunterzurutschen, und ein kleiner Junge lachend einen Purzelbaum schlägt, scheint ein Blick in eine x-beliebige Unterrichtsstunde zu sein. Doch die Kinder zwischen drei und sieben Jahren, die hier selbstständig oder an der Hand einer Betreuerin Übungen absolvieren, haben alle ein Handicap.
Kinder machen große Fortschritte
Sie besuchen die Schulvorbereitende Einrichtung (SVE) der Neumarkter Lebenshilfe, weil sie körperlich, geistig oder emotional in ihrer Entwicklung verzögert sind. Das fröhliche Treiben lässt Heilpädagogin Stephanie Hantzsche sowie Kathrin Immle, Konrektorin und Leiterin der SVE, strahlen. „Es ist großartig zu sehen, wie sich die Kinder innerhalb der drei Monate entwickelt haben“, sagt Immle.
Wie Hantzsche erklärt, leidet der kleine Junge an einer Autismus-Spektrum-Störung. Er spricht nicht und tut sich auch sonst schwer, durch Gesten oder Mimik seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Und das kleine Mädchen sei eigentlich äußerst scheu und vorsichtig. „Hier können sie über sich hinauswachsen.“
Der Grund dafür ist ein neues Angebot: Seit Schuljahresbeginn gestaltet Bastian Jordan vom Neumarkter Verein Artico einmal in der Woche zwei Stunden für Kinder der insgesamt neun SVE-Gruppen. Dieses ergänzt das übliche Bewegungsangebot der Lebenshilfe und macht möglich, was sonst im Alltag mit dem bestehenden Personal nicht zu stemmen ist.
Angebot ist für die Mädchen und Buben freiwillig
„Um so einen aufwendigen Parcours aufzubauen, müssten wir zwei Mitarbeiter abstellen, die uns dann wieder in der Gruppe fehlen“, erklärt Stephanie Hanzsche. Außerdem bringt Bastian Jordan als erfahrener Artist und Zirkustrainer zusätzliche Fähigkeiten beispielsweise in Jonglage mit. Fähigkeiten, die er auch den Kleinen beibringt, die den jungen Mann mit der sanften Stimme und dem offenen Lächeln längst in ihr Herz geschlossen haben.
Auch das ist für die Mädchen und Buben etwas Besonderes: Vertrauen fassen zu einem Fremden, sich auf neue Herausforderungen einlassen, etwas wagen, was sie noch nie ausprobiert haben. „Dieses Angebot ist für die Kinder freiwillig“, unterstreicht Kathrin Immle. Jedes Kind stelle sich den sportlichen Herausforderungen ganz nach seinen individuellen Fähigkeiten. Für manch eines sei es schon ein riesiger Schritt, in dieser gruppenübergreifenden Zusammenstellung mit anderen Kindern zusammen zu sein. So werde etwa auch die Kommunikationsfähigkeit trainiert, das Sprechen gefördert.
Schule hätte nicht die finanziellen Mittel
„Und sie können Selbstbewusstsein entwickeln“, ergänzt die Konrektorin. Gerade das tue den Kindern gut, denn trotz ihres jungen Alters hätten sie oft schon eine schwere Zeit durchgemacht und erfahren, dass sie vieles nicht leisten könnten, das für andere Kinder selbstverständlich ist. „Deshalb ist dieses Angebot so wertvoll für uns. Über die Schule könnten wir das nicht finanzieren“, sagt Schulleiter Cliff Rüdinger-Härlin.
Möglich gemacht hat es Unternehmer Georg Weißmüller und seine Familie mit einer Spende über knapp 6000 Euro. Der Betrieb Garten- und Landschaftsbau Weißmüller in Riebling bei Berg hatte vor Kurzem sein 35-jähriges Jubiläum gefeiert. „Zu unserem Fest wollten wir keine Geschenke, sondern haben um Spenden gebeten“, berichtet Weißmüller. Seine Familie und er hatten damit etwas Gutes in der Region tun wollen. „Bei uns sind zwei Mitarbeiter mit Handicap beschäftigt, deshalb hat mir die Idee gleich gut gefallen.“
Ein Jubelschrei am Telefon
Weißmüller ist Mitglied im Lions Club Neumarkt und an den früheren Schatzmeister Henry Pillipp hatte sich die Lebenshilfe mit der Bitte um finanzielle Unterstützung gewandt. Denn ein Sporttag des Artico in der Lebenshilfe habe bei Kindern wie auch Erwachsenen enormen Eindruck hinterlassen.
„Wir hätten uns schon über einzelne Stunden gefreut“, verrät Kathrin Immle. Dass Weißmüller nun jede Woche zwei volle Stunden für ein ganzes Schuljahr finanziert, daran habe niemand im Traum gedacht. „Den Jubelschrei am Telefon habe ich noch im Ohr“, lacht Pillipp. „Es ist so schön zu sehen, was eine Spende bewirkt“, ergänzt Sandra Weigert, die im Juli das Amt der Schatzmeisterin bei den Lions übernommen hat.
In der Mitte des Schuljahres kommen dann andere Kinder zum Zug, damit möglichst viele Zeit mit dem Zirkustrainer verbringen können. Und auch für Kinder im Rollstuhl sind besondere Stunden geplant.



